Ich habe heute einen Artikel über Yoga gelesen. Da schreibt eine Berlinerin über ihre Yoga-Stunde und das sie der Meinung ist, hier würde den Teilnehmerinnen oftmals etwas vorgegaukelt.
Weil löse dich von dem materiellen Dingen, sei glücklich, nimm dein Schicksal an - wären demnach für sie nichts, was man mit zigfachen Wiederholungen an diversen Positionen erlangen könnte und würden bei ihr eher Langeweile als inneren Frieden auslösen.
Nun ja - der Meinung bin ich nicht, aber meine Yogastunden waren auch nicht unter dem Druck der Yogaleherin, es müsse von nun alles im Fluß sein und ich wäre bald die glücklichste Person der Welt. Zugegeben meine Lehrerin strahlt seit sie Yoga macht, ein größeres Maß an Zufriedenheit und innerer Ruhe aus, aber sie versucht nicht ihre Schützlinge damit zu ködern sondern sie lebt es einfach. Ich glaube ja, sie hat mit Yoga etwas gefunden das perfekt zu ihr passt, deswegen die Zufriedenheit.
Aber der Artikel hat mich auf etwas gebracht das mich tatsächlich seit längerem stört. Nämlich dieses krampfhaft erzwungene "alles ist so super" und "wir sind alle gut drauf und alles ist positiv" Getue.
Um das gleich klarzustellen - ja es ist von Vorteil wenn man positiv durchs Leben geht. Manche haben das bereits seit ihrer Jugend intus, andere so wie ich, haben mühevoll ihre permanenten schlechten Erfahrungen abgelegt und sich wissend auf dieses Abenteuer eingelassen.
Es soll aber nicht bedeuten, ich müsste demnach immer und überall vom Besten ausgehen. Weil das ist einfach nicht der Fall. Es macht durchaus auch Sinn über Plan B wenn mal etwas nicht so positiv läuft nachzudenken und verdammt ja es macht Sinn dies zu tun BEVOR es möglicherweise eintritt.
Aber damit bin ich ja schon sowas von Negativ - zumindest wird mir das tlw. suggeriert. Und ich möge mich doch bitte mit den schönen Dingen des Lebens beschäftigen, wenn ich immer nur auf Politik und Tagesgeschehen achte, dann kann das nicht positiv sein. Ja ist es auch nicht aber es gehört in unseren Alltag und ich finde es normal, sich darüber austauschen zu können.
Klar wenn ich tagtäglich in der Blase von Work life Balance, Optimierung meines körperlichen Wohlbefindens und vielleicht dem Frönen meiner Hobbies nachgehe, dann sitze ich da mit der rosaroten Brille, alles ist heppy peppy und ich bin 100% positiv gepolt. Dann ist das schlimmste in meinem Leben der Ausgang eines Kinofilms oder das böse Ende in einem Buch - aber Halt solche "bösen" Filme oder Bücher lese ich dann ja garnicht, weil sie würden sich auf meine positiven Vipes nur negativ auswirken.
Um genau das gehts mir - ich lache gerne, ich bin gerne gut drauf und scherze, aber das Leben ist halt nicht immer ein Ponyhof.
Ich mag einfach nicht mehr hören, dass ich es lockerer nehmen soll und gechillter angehen. Ich bin ziemlich locker und meist auch gechillt aber ich bin eben nicht aus der Generation Y - und es fällt mir schwer nach nunmehr bereits 36 Arbeitsjahren immer die Freizeit über die Arbeit zu stellen.
Zugegeben ich habe dabei schon sehr viel von meinen jüngeren ArbeitskollegInnen gelernt aber ganz rausbringen werde ich diese jahrezehntelange Einstellung nicht mehr. Ich möchte mich dafür auch nicht verteidigen müssen - auf meiner durchgehenden Arbeit über Jahrzehnte basiert ua die Möglichkeit für andere Frauen, einige Zeit in Karenz bei ihren Kindern sein zu können. Weil irgendwer muss es ja auch verdienen diese Sozialleistungen.
Ich bin durchaus auch froh, nicht wie Angehörige die zirka im Alter meiner Mutter sind, fremde Hilfe in Form von Zugehfrauen in Anspruch nehmen zu können und auch annehmen zu können. Ich muss nicht die Wunderfrau spielen, die einen anspruchsvollen Job und den Haushalt quasi mit links schupft. Und ich bin stolz darauf, mein Studium abgeschlossen zu haben und einen guten Job zu tun.
Aber ich mag nicht mehr zwanghaft glücklich sein müssen..... weil genau das in mir etwas wirklich Böses auslöst - nämlich Wut.
In diesem Sinn - stay cool ;)
NACHTRAG:
Nachdem eine "Bekannte" mir in den sozialen Medien auf diesen Beitrag geantwortet hat und ich das wirklich genial finde, mache ich heute mal eine Ausnahme und veröffentliche hier ihre Antwort auf diesen Beitrag - Danke Bex ;)
Das Schlimme bei dem Selbstoptimierungszeugsl ist ja auch, dass es quasi die alleinige Verantwortung eines selbst sein solle, dafür zu sorgen, dass man happybeppy durchs Leben geht, und dass somit quasi die Umfeldsysteme entschuldigt sind dafür, dass sie scheiße sind. Da kommen dann so Dinge wie "auch mal das Schöne in den kleinen Dingen sehen", oder "nicht so negativ sein" (wie Du beschrieben hast), und wenn dann die Depression da ist, dann soll man sich halt auch mal bissi zusammenreissen und sich selbst am Schopf aus der Misere ziehen, weil sooo schlimm ist es ja auch wieder nicht. Aber manchmal sind Dinge einfach Mist, und dann mag ich mich auch nicht auch noch plagen und dafür verantwortlich sein müssen, das Schöne im Mist zu finden, sondern den Mist einfach Mist nennen oder den Mist aufräumen dürfen, und wenn man dabei auch Hilfe hat, den Mist zu entfernen, ist es umso besser. Ich denke, es geht darum, untereinander empathischer zu sein... ein bisserl Selbsterfahrung und ein bisserl Yoga (ohne die positiven Effekte hier per se schmälern zu wollen) ist für gesamtgesellschaftliche Problematiken wohl oft nicht mehr als ein Hello-Kitty-Pflaster auf ansonsten unbehandelten Wunden...
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