Während der letzten Monate habe ich immer wieder Nächte die teilweise mehrere Stunden von Schlaflosigkeit geprägt sind. In dieser Zeit habe ich mir angewöhnt, meine Gedanken auf ein einziges Thema zu fokussieren. Das lenkt ab und führt gelegentlich dazu, dass ich wieder einschlafen kann.
Letzte Nacht bzw. schon vor ein paar Nächten beginnend, habe ich mich mit dem Thema Frauenrechte und Gleichberechtigung auseinander gesetzt. Darüber habe ich schon öfters nachgedacht und ein wenig recherchiert, aber so eine Zusammenfassung über meine Lebenszeit bzw. die meiner Vorfahren mit diesen Rechten, hatte ich bis dato noch nie durchdacht ;)
Ich hatte mir doch mit einer lieben Freundin vor einiger Zeit den Film "Die Dohnal" angesehen. Einiges davon war mir bekannt - vieles wurde erst nach dem Film für mich Thema und führte zu einigen AHA-Erlebnissen.
Dass es das Frauenwahlrecht bei uns seit 1918 gibt, wissen doch so Einige, wenn ich jedoch darüber nachdenke, dass meine Großmutter mütterlicherseits bereits 14 Jahre davor - nämlich 1904 auf die Welt kam, dann wirkt die Zeitspanne seit damals bis heute extrem kurz.
Oder das Mutterschutzgesetz - dieses gibt es erst seit 1957 - erst seit diesem Zeitpunkt wird geregelt, dass schwangere Frauen 6 Wochen vor und nach der Geburt nicht arbeiten dürfen. Inkl. der dazugehörigen finanziellen Abgeltung. Oder dass es erst 1970 zur Gleichstellung von unehelichen Kindern kam, da waren meine Schwestern und ich bereits auf der Welt - wahrscheinlich war das der Grund warum meine Eltern noch 2 Monate vor meiner Geburt geheiratet haben.
Das führt mich zum Jahr 1975 - erst in diesem Jahr wurde ein Schwangerschaftsabbruch bis zum 3ten Schwangerschaftsmonat entkriminalisiert. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass vor einer großen Klinik für Schwangerschaftsabbrüche immer wieder demonstriert wurde bzw. vor dem Hauseingang Menschen mit Plastikföten standen und die hinein- bzw. herauskommenden Frauen mit der "Ermordung" eines menschlichen Lebewesens konfrontiert haben.
Es gab damals soweit ich mich erinnere auch TV-Werbungen in denen explizit darauf abgezielt wurde, dass es immer einen anderen Weg als dieses böse Töten eines ungeborenen Kindes gibt. Ganz deutlich habe ich auch noch in Erinnerung dass dabei niemals ein Mann in die Verantwortung genommen wurde - es waren immer nur die Frauen daran Schuld wenn es zu einer ungewollten Schwangerschaft kam. Um ehrlich zu sein, habe ich das damals als Teenager und später junge Erwachsene auch garnicht hinterfragt.
ad TV-Werbungen offtopic:
Im Jahre 1991 noch war ich bei einem Gespräch dabei, damals hat ein Kollege uns erklärt, er finde es extrem ekelhaft dass es im Fernsehen Werbungen für Damenbinden und Tampons gibt. Ihn interessiert das nicht und er will das auch nicht sehen!!!!!!
Ich bin so erzogen worden, als das zuerst einmal das Wort der Erwachsenen immer mehr zählt als das Wort eines Kindes oder Teenagers bzw. wurden wir Kinder garnicht um unsere Meinungen gefragt. Außerdem waren die Entscheidungen meines Vater mehr wert als die meiner Mutter. Es wurde mir so vorgelebt und als Kind/Teenager gab es kaum einen Grund dies anzuzweifeln.
Was mich zum nächsten Meilenstein bringt, welchen ich auch heute noch kaum realisieren kann.
Erst durch die Familienrechtsreform 1975-1978 wurde geregelt, dass Frauen ohne die Zustimmung ihres Mannes (Vaters oder Bruders) arbeiten gehen dürfen, in der Ehe über den Ort des Wohnsitzes mitreden dürfen bzw. NICHT ZWINGEND den Namen ihres Mannes bei Eheschließung annehmen müssen.
Da kommen auch noch Kleinigkeiten dazu wie sie konnten davor kein eigenes Bankkonto eröffnen wenn sie keine Zustimmung des Gatten etc. erhielten.
Meine Mama ist 1977 verstorben - sie hat das also nicht mehr miterlebt, aber bei uns in der Familie kursiert eine Geschichte, ich habe sie von meiner Großmutter und auch von meiner Tante erzählt bekommen.
Meiner Mama wurde von einer naheliegenden Polizeiwachstube das Angebot gemacht, sie könnte Teilzeit als Schreibkraft dort anfangen zu arbeiten. Zu diesem Zeitpunkt war sie 3fache Mutter und hätte durch meine Großeltern die Möglichkeit gehabt, uns Kinder während des Tages für ein paar Stunden abzugeben bzw. wäre es auch möglich gewesen uns in einen Kindergarten zu geben.
Laut Auskunft meiner Großmutter und Tante wurde ihr dies jedoch durch meinen Vater untersagt. Ich kann mich daran nicht erinnern, erstens war ich da unter 10 Jahre alt und zweitens wie bereits erwähnt, solche Dinge wurden nicht vor uns Kindern diskutiert.
Was ich mich aber sehr gut erinnern kann, dass meine Tante damals schon arbeiten ging. Es war für mich als Kind extrem exotisch eine arbeitende Tante zu haben.
Im übrigen wurde bei dieser Reform auch das Ehegattenerbrecht und Ehescheidungsrecht nach meinem Dafürhalten geschlechtergerechter gestaltet.
Und noch so ein unfassbar später Zeitpunkt , absolut frauenfeindliche und verabscheuungswürdige Taten abzuschaffen:
1989 - Vergewaltigung und sexuelle Nötigung in der Familie werden STRAFBAR!!!!
Beim Schreiben der Zeilen kann ich es noch immer nicht fassen, dass dies erst 32 Jahre her ist. Ich selbst habe 1984 zum ersten Mal geheiratet - mir war damals nicht klar, dass ich absolutes Glück hatte auf einen Mann zu treffen der seine Frau nicht wie ein Stück Fleisch das man jederzeit benutzen kann ohne gestraft zu werden, behandelt hat.
Aber auch dass unverheiratete Mütter ebenfalls erst 1989 verheirateten Müttern gleichgestellt wurden, ist für mich unglaublich!!
1993 folgte das Gleichbehandlungsgesetz und 1997 kam es zum Volksbegehren "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" das in meinen Augen bis heute noch immer nicht komplett umgesetzt wurde. Aber was sind schon 24 Jahre!!!!!
Wobei es gibt seit 1980 beginnend , die ersten Richtlinien zur Vermeidung sexistischen Sprachgebrauches - mittlerweile ist bei fast Allen zumindest vom Hörensagen die gendergerechte Sprache angelangt.
Ob Binnen I oder Nennung von weiblich und männlich, *innen etc. ich gebe zu ich bin darin auch nicht ganz firm aber ich bemühe mich redlich. Und mir ist der Einsatz und das Sichtbarmachen aller Menschen mittlerweile extrem wichtig geworden.
Als ich angefangen habe mich diesem Thema zu stellen - zugegeben ich war da schon 30 Jahre alt in etwa - habe ich auch angefangen zu hinterfragen. Ich vergesse kaum meine unendlich vielen Diskussionen betreffend unserer Bundeshymne - lange bevor diese "unglücklich" geändert wurde. Einmal darüber nachgedacht konnte ich mich niemals mehr als "Sohn" mitgemeint fühlen.
Zum Schluß möchte ich noch eine Anekdote der jüngsten Zeit zu diesem Thema erzählen:
Ich habe für Externe eine Aufgabenstellung aufbereitet und musste dazu die Gründe und einzelnen Schritte erläutern. Nachdem ich auch von Nicht-Wissenden verstanden werden muss, habe ich das Dokument ua auch einem jungen Kollegen (19) zum Lesen gegeben, mit der Bitte um Feedback.
Der Kollege hat
a) den Inhalt scheinbar gut verstanden - was mich natürlich freut und
b) hat vorsichtig angemerkt, warum ich denn nur die weibliche Form - also Bearbeiterinnen, Kolleginnen usw. verwendet habe, das sei ja nicht korrekt :)
Worauf ich die Unterlage um eine Fußzeile ergänzt habe:
Zugunsten der Lesbarkeit wird die weibliche Form genannt, Männer sind stets mitgemeint
Ging ja bei uns Frauen auch über so viel Jahre oder ? :) :)
Bilderklärung:
1. Foto - meine Urgroßmutter stehend (Baujahr 1886), meine Großmutter (BJ 1904), Sabine (BJ 1965)
2. Foto - links mein Vater (BJ 1944) rechts ein Verwandter dessen Name glaube ich Ossi war
3. Foto - die Schwester meiner Großmutter mütterlicherseits auf Besuch aus Deutschland (BJ 1902) links in braunorangenem Kleid Schwester Sonja (BJ 1967) im rechten braunorangenem Kleid Schwester Sylvia (BJ 1967 eineiige Zwillinge) und in rot gehalten Ich :)
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