Trauerbewältigung

20.Oktober 2024

22 Monate und 25 Tage

 

So lange habe ich diese Webseite links liegen lassen. Nicht mal reinschauen konnte ich.

Jeder Artikel hätte mich in unterschiedlichster Form an Hans erinnert.

 

Die ersten Tage nach seinem Tod, bis zum Begräbnis am 12.12.2022 war ich in einer Schockstarre. Ich habe recht gut funktioniert, auch Dank der Unterstützung einiger Menschen, die mich durch diese Tage getragen haben.

 

Einige davon sind nicht mehr fixer Teil meines Lebens, so ist es einfach. Ich bin jedoch allen sehr dankbar. Ohne sie hätte ich es nicht geschafft. Hilfestellungen der unterschiedlichsten Art kamen aus Ecken, die ich niemals am Radar hatte.

Auch wenn ich viele davon heute nicht mehr treffe, ich werde immer dankbar für ihren Support sein.

 

Nach den ersten, wichtigsten Erledigungen wie Sterbeurkunde, Begräbnis organisieren inkl. Geld dafür aufbringen, ordnen wie es den nun mit Hans Vermächtnis weitergehen soll, warten auf den Eröffnungstermin beim Notar usw. kam das richtige tiefe, schwarze Loch.

 

Die Hürden bei Pensionsantrag, Lebensversicherung, Hans letzte Gehaltszahlungen, Internet und TV Verträgen, aber auch seine Firmenunterlagen, die Paßwörter, sowohl privat wie beruflich und noch so vieles mehr, das ich mittlerweile schon wieder verdrängt habe, haben mich damals am Leben erhalten. Ich konnte meinen Fokus aufs Durchboxen meiner Rechte legen und habe den großen Verlust, die Einsamkeit, die Traurigkeit quasi auf Eis gelegt. 

 

Es war garnicht einfach - zuerst einmal hatte ich mir eine Rechtsanwältin gesucht, da ich zwar wusste, dass das Erbrecht ergänzt und erweitert wurde, aber ich wollte auf "Nr.Sicher" gehen. Bin dabei leider auf eine Anwältin gestossen, die mir keine neuen Erkenntnisse geben konnte und mich noch dazu falsch informiert hatte. Nach einigen Diskussionen diesbezüglich hat sie mir ihr Honorar sogar erlassen.

 

Nun ja die Eröffnung der Verlassenschaft beim amtlich zugewiesenen Notar war dann sehr ernüchternd. Ich hatte sämtliche Unterlagen fein säuberlich aufbereitet, wusste soweit ich Zugriff hatte auch um welche Aussenstände oder aber Guthaben es sich handeln könnte, konnte aber selbst kaum etwas erledigen. Meine Unterlagen wurden dann Anfang Jänner 2023 von der Kanzlei übernommen und dann passierte mal wochenlange NICHTS.

 

Zwischenzeitlich habe ich mich - wahrscheinlich illegal - um Hans Bienenstöcke gekümmert. Also ich habe den Obmann des Bienenvereins darum gebeten, dass er sich die Stöcke nach dem Begräbnis ansieht, damit die Bienen über den Winter kommen. Gleichzeitig habe ich ihm auch angeboten, der Verein könne die Bienenstöcke inkl. Hans umfangreichen Equipment haben. Im April 2023 wurden die Sachen abgeholt. Ganz im Sinne von Hans natürlich entgeltfrei. Ich wurde auch mitgenommen zum neuen Standort des Stockes, denn leider sind 2 Völker nicht über den Winter gekommen.

 

Hans Arbeitgeber hat sich mir gegenüber auch sehr fair verhalten. Sie hätten im Dezember eine steuerfreie Prämie ausbezahlt. Trotzdem Hans bereits im November verstorben war, wurde mir dieser Betrag zugesagt. Und ich habe einen Vorschuss bekommen - denn auch wenn manche der Meinung waren, ich könnte diese Situation alleine stemmen, das war nur möglich, durch den Vorschuss und die Tatsache, dass die MVK (ehemalige Abfertigung-ALT) die angesparten Beiträge an die Witwe direkt ausbezahlt, wenn 1) keine minderjährigen Kinder vorhanden sind und 2) wenn man sich innerhalb von 90 Tagen an die MVK direkt wendet.

 

Mit diesen beiden Beträgen konnte ich das Begräbnis und die Anmietung der Grabstätte bezahlen. Dann habe ich bei Hans Unterlagen, die ich durchsehen musste, um festzustellen wen ich noch alles anschreiben muss, festgestellt, dass Hans vor Jahren, am Tag unserer Wiedervereinigung eine kleine Lebensversicherung  abgeschlossen hatte. Ich wusste davon garnichts - also habe ich auch diese Stelle kontaktiert. Ich wurde bezüglich der Unterlagen sehr detailreich befragt, mit der Feststellung, da die Versicherung auf Überbringer ausgestellt war, muss diese nicht in die Verlassenschaftsmasse und ich könne durch vorweisen der Originalunterlagen plus einiger anderer Dinge, über den Betrag verfügen.

 

Also hat mein Hans auch noch nach seinem Tod für mich gesorgt. Als ich nämlich 3 Monate nach seinem Tod den Rentenbescheid erhielt war ich über die Höhe ... ich würde schreiben enttäuscht, aber das trifft es nicht. Wohl eher negativ überrascht. Hans hat 35 Jahre gearbeitet, die Witwenpension darauf war gerade mal ein wenig mehr als die Hälfte der monatlichen Kreditrate unseres Weinviertelprojekts.

 

Durch die Versicherung konnte ich nämlich bis zu Verlassenschaftsabhandlung, welche im Juni 2023 endlich abgeschlossen war, quasi auch alle monatlichen Rechnungen bezahlen.

 

Bis zur Verlassenschaftsabhandlung durfte ich auch das Weinviertelprojekt nicht verkaufen - also möglich wäre es gewesen, aber mit zusätzlichen Kosten und bürokratischen Hürden verbunden.

 

So war ich bis Juni 2023 immer beschäftigt. Die wenigen Fahrten ins Weinviertel, die ich während dieser Zeit machen musste, waren jedes Mal mit Panikattacken und Weinkrämpfen verbunden, die Tage nach den Besuchen waren wie schwarze Löcher. In jeder Ecke draußen habe ich Hans gesehen, wie er zufrieden und glücklich vor sich hingearbeitet hat. Wie wir in perfekter Eintracht und in großer Zuneigung und Liebe zueinander dort geschuftet haben. Es war nicht immer alles perfekt, und gerade im letzten Jahr war ich schon so ausgepowert und wollte einfach, dass es schneller geht. Jeder der ähnliches über mehrere Jahre erlebt hat, kann das sicher nachvollziehen. Hans jedoch war die Ruhe und Ausgeglichenheit in Person. Ich habe ihn damals dafür bewundert und ich mache es heute noch. Er war immer im HIER und JETZT und zufrieden dabei.

 

Er war auch mein Grund, weiterhin durchzuhalten. Manchmal mit zusammengebissenen Zähnen, aber weitermachend. Und auch wenn während dieser Zeit ich immer wieder die kleinen Seitenhiebe von der Familie mitbekommen hatte, von wegen "was Hans da geschaffen habe", " wie Hans doch arbeiten kann" - Hans wusste es besser. Er war so glücklich, endlich etwas Eigenes zu haben, sich endlich mit basteln und tüfteln austoben zu können. Und er hat mir immer wieder versichert, wie gerne er mit mir lebt und wie gerne er mit mir auch arbeitet und er war überglücklich, dass er das mit mir verwirklichen konnte.

 

Nachdem ich dann die Einantwortungsurkunde in Händen hatte, wurde mir wieder geholfen. Zuerst durch eine liebe Bekannte, wir haben gemeinsamen einen Verkaufsfolder entworfen, sie hat es in ihrer Community geteilt, ich habe es auch verbreitet. Viele haben mir über die sozialen Medien den Beitrag geteilt, ich war sehr dankbar darüber. Aber jeder Besuch draußen mit potenziellen Käufer:innen war für mich eine Qual. Jedes Mal kamen mir die Tränen - also nicht wirklich förderlich für ein Verkaufsgespräch.

 

Dann die große Frage - draußen war es unaufgeräumt, Unsere vielen Maschinen und Gerätschaften waren über Haus und Scheune und Werkstatt verteilt. Könnte ich nicht doch mit dem Verkauf der Geräte noch Geld machen, anstatt diese im Bausch und Bogen und wohl kaum richtig bewertet, im Chaos liegend mitanzubieten?

 

Hier hatte ich wieder ein riesiges Glück - niemals hätte ich das alleine so geschafft. Mein liebe Heidi und ihr Mann Berthold, welche mir über die Monate wirklich gute Freunde wurden, haben mir geholfen. Berthold hat sich der Geräte angenommen, er hat akribisch die Teile zusammengesucht und geordnet und ja er hat Vieles davon verkaufen können. Währenddessen sich Heidi und ich, dem mittlerweile Dschungel im Garten gewidmet hatten. Es war jedoch schon so verwachsen, wir haben uns ehrlicherweise etwas verloren gefühlt.

 

Ich habe dann trotzdem im August 2023 einen Makler kontaktiert - ich habe einfach das Büro angerufen, welches uns 5 Jahre davor das Gründstück verkauft hatte und dessen Makler der "Platzhirsch" in der Region ist. Er hat mir auch Jemanden genannt, der sich dann professionell um den Garten gekümmert hat. Der Preis war okay und ich eine Sorge weniger. Aber der Makler hat auch gemeint, ich solle das Haus "bewohnbar" machen, weil das den Verkaufspreis beeinflußt.  Kurze Erklärung dazu: Mein lieber Hans war ein wunderbarer Mensch, aber er hatte auch die Angewohnheit, die komplett Hausfläche, plus Scheune, plus Werkstatt, plus selbstgebautes Erdgewächshaus, als Arbeitsstätte  zu benutzen. Dementsprechend sah es dort auch aus.

 

Also hat das dynamische Trio, bestehend aus Heidi, Berthold und mir, innerhalb von 4 Tagen das Haus "herzeigbar" gemacht. Was für eine Schinderei, aber wir haben es geschafft. Ich konnte Tobias, Heidis Sohn noch mit ein wenig altem Holz aus der Scheune beglücken. Das hätte Hans sicher gefallen, er hatte so große Pläne mit dem alten Holz.

 

Ende August 2023 habe ich den Maklervertrag unterschrieben. Für 6 Monate, aber bereits mit dem Hinweis, dass die Zeit für Verkäufe gerade nicht besonders gut ist. Im Juli 2023 nämlich wurde bei Haus- und Grundkäufen die 20% Eigenkapitalquote schlagend, außerdem sind erstmalig die Kreditzinsen nach vielen Jahren gestiegen.

 

Nun ja - ich habe also diese Zeit finanziell mit den Resten aus der Lebensversicherung von Hans überbrückt. Davor aber, direkt nach der Übergabe der Einantwortungsurkunde war es mir äußerst wichtig, einen Grabstein und die Einfriedung für Hans Grab, machen zu lassen. Ja ich weiß nicht klug, weil ich ja nicht wusste, wie schnell ich das Weinviertel und die Schulden da drauf loswerde, aber mir war das extrem wichtig. Ich wollte nicht mehr zu dem Holzpflock gehen, der da traurig aus einer überwucherten Grabstelle rausragte.

 

Ich weiß nicht von Wem es stammt, aber es gilt " sterben muss man sich leisten können" - ein Gutteil der Versicherung also habe ich dafür genommen.

 

Dann war das große Warten auf Käufer. In dieser Zeit habe ich begonnen, mich mit meiner Trauer viel tiefer auseinander zu setzen. Die wichtigsten Punkte waren abgehandelt, ich habe mich in meinen Job bereits nach 6 Wochen wieder eingefunden und auch der Joballtag, oder besser die Büro-Schonfrist war auch vorbei.

 

Das war zirka 1 Jahr nach Hans Tod. Die Zeit davor, siehe oben, war auch eine schwarze, sehr traurige, aber meistens war ich am Tun, am Kämpfen, am Überleben. Jetzt begann die Phase der großen tiefen Schmerzen, der Wut, der Erkenntis bzw. des Erkennens der eigenen, neuen Lebenslage.

 

Hans fehlt mir jeden Tag, aber die Tage werden heller. Manchmal bin ich noch immer in einer Weinphase, aber mittlerweile nehme ich diese an. Ich kann nichts ungeschehen machen.

 

Im Februar 2024 - also 6 Monate später, endlich gab es ein Kaufanbot. Es war weit unter dem was Hans und ich tatsächlich in das Projekt gesteckt hatten. Tatsächlich war es unser Kaufpreis von damals plus die Gebühren. Keine neuen Fenster wurden bezahlt, kein professionell saniertes Scheunendach, keine Dachboden oder Scheunenräumung, keine neuen Rohre und deren Verlegung. Ich habe kurz gezögert, aber nachdem das verbleibende Geld aus der Versicherung auch zur Neige ging, habe ich es angenommen.

 

Abgeschlossen war es final im April 2024 - als letzter offizieller Schritt aus Hans Verlassenschaft. 17 Monate waren bis dahin vergangen. Ich habe den Kredit getilgt und habe das Weinviertel damit komplett hinter mir gelassen. Nicht jedoch die wunderbare Zeit mit Hans da draußen.

 

Heuer im Sommer hatte ich viel freie Zeit. Ich habe mich der Aufarbeitung all der erlebten Dinge gewidmet. Mein Zorn über Handlungen von nahen oder auch weniger nahen Menschen. Mein Gefühl des alleingelassen werdens, mein damals so starkes Gefühl, doch auch als dazugehörend gelten zu dürfen. Mein Unverständnis über die vermeintlichen Freunde von Hans, die mich nach seinem Tod niemals mehr kontaktiert hatten. Aber auch, dass ich nun akzeptiere und gut damit leben kann, dass manche Menschen, mit mir einfach nichts anzufangen wissen, ob es nun seine Familie ist oder nur Freunde, ob es an mir liegt oder ob diese Menschen mit Trauernden nicht umgehen können, ist mir dabei eigentlich mittlerweile egal.

 

Viel wichtiger ist, dass ich während dieser fast 2 Jahre, Menschen kennengelernt habe oder ihnen näher gekommen bin, die mich so nehmen wie ich bin. Heute kann ich das tatsächlich ohne Groll schreiben - es war ein harter, schwieriger und tränenreicher Prozess, aber auch hier war Hans mein Lehrmeister. Schon vor vielen Jahren hat er mir vermitteln wollen bzw. vorgelebt, was tatsächlich im Leben zählt. Es ist der eigene innere Frieden und das Vertrauen in einen selbst.

 

Für mich war es halt nicht EIN Trauerjahr, sondern etwas mehr.

 

...und btw, weil ich auch darauf gelegentlich noch angesprochen werde, unserer gemeinsamen Wohnung und Hans Sachen darin, habe ich mich bis auf einige wenige Teile noch immer nicht zugewandt. Probiert habe ich es schon, aber beim ersten persönlichen Teil war Ende Gelände.


Puhh hat mich dieser Beitrag gefordert.

Aber hier bin ich und

still alive

 

 

 

 

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