Nachdem Hans im November 2022 so plötzlich gestorben ist, bin ich innerlich sehr abgestumpft.
Wenige Monate nach seinem Tod haben mich mehrere Personen darauf angesprochen, ich könne doch meine Erfahrungen rund um das Abhandeln der Verlassenschaft quasi als "Ratgeber" festhalten.
Anfangs fand ich diese Idee auch reizvoll, nachdem ich jedoch gefühlt bei fast Allem ungewollt als "Einzelkämpferin" unterwegs war, war der Zorn, die Wut, die Verzweiflung darüber so stark, ich wollte einfach nicht schon wieder Diejenige sein, die eine Situation mal "blutig" erleben muss um dann die Nachfolgenden mit Ratschlägen durch die schmerzhaften und energieraubenden Aufgaben und Erfahrungen zu navigieren.
Wahrscheinlich kommt diese Einstellung sehr egoistisch an, aber ich kann einfach nicht, oder noch nicht, über meinen Schatten springen.
Hans Tod hat mich vollkommen kalt erwischt. Niemals hätte ich mit seinem frühen Ableben gerechnet. Er hatte kleinere Beschwerden, er nahm gegen den Bluthochdruck Medikamente, er war übergewichtig, aber auch hier hatte er wieder einmal sein Gewicht in Angriff genommen und hat von August bis zu seinem Todestag bereits 17kg abgenommen.
Niemals hatte er den Eindruck hinterlassen, es ginge ihm nicht gut. Die Monate vor seinem Tod haben wir viel am Projekt weitergebracht, Hans war aktiv, hat sich jedoch seine Pausen gegönnt. Er hatte so viele Pläne - und er selbst war auch, trotz seiner Augen OP, wenige Wochen vor seinem Tod, positiv in die Zukunft blickend.
Wir hatten auch Diskussionen, was ist wenn das Auge nicht mehr ganz gesund wird, wie immer - Hans hat zuerst gemeint, das entscheiden wir wenn es soweit ist, aber sollte es so sein - auch mit
einer Sehbeeinträchtigung wäre er gut zurecht gekommen. Seine Frage dabei war nur " stört es dich Mausinka, wenn ich nur auf einem Auge sehe?"
Und ja - nach den ersten Wochen und Monaten habe ich immer wieder darüber nachgedacht, ob ich etwas übersehen habe, ob Hans vielleicht Beschwerden hatte die er nicht zugeben wollte odgl. Aber ich denke, dass es nicht so war.
Seine ewig angeschwollenen Beine - wie oft habe ich ihn gebeten, er möge doch mit seinem Arzt sprechen. Was er dann auch mal gemacht hat - heimgekommen ist er mit Wassertabletten und einer Medikamentenumstellung für den Blutdruck. Geholfen hat es nur wenig.
Und natürlich habe ich mir zig Mal die Frage gestellt, wie kann es sein, dass Hans die Voruntersuchungen für seine Augen-OP alle ohne Auffälligkeiten hatte und er dennoch so kurz danach stirbt?
Ich war in einigen Trauerforen unterwegs, mit diesen Überlegungen bin ich nicht allein. Ich hatte mich nach seinem Tod auch um prof. Trauerhilfe bemüht. Auf Krankenkassakosten war die wenig ergiebige Antwort:
Trauerbetreuung gibt es, aber für Einzeltherapie beträgt die Wartezeit zirka 9 Monate, für Gruppensitzungen kann ich auf eine Warteliste und muss mit ungefähr 6 Monaten rechnen.
Nachdem ich niemanden hatte, dem ich tatsächlich all meine Ängste und Sorgen und meine Verzweiflung, meinen Wunsch selbst zu sterben, in vollem Umfang anvertrauen konnte und wollte, habe ich mir eine Trauertherapeutin gesucht. Auch hier war ich auf einer Warteliste - ich würde nur drankommen, wenn ich jeden mir angebotenen Termin auch nehmen würde.
Nach 3 Wochen war es dann soweit - ein Dienstag um 15 Uhr. Und obwohl ich mit der Therapeutin ein langes telefonisches Erstgespräch geführt habe, obwohl ich relativ gut meine Probleme erklären konnte, sass ich dann in ihrer Praxis und ich wusste nach 10min - das wird nichts. Die Dame hat mir sehr direkt erklärt, sie könne nur mit mir arbeiten, wenn wir das Erlebte komplett durchspielen inkl. der ganz häßlichen Szenen. Nachdem sie mich nicht für stabil genug hielt, hat sie jedoch selbst eingesehen, dass ihr Therapieansatz bei mir nicht fruchten wird. Ach ja und das VOLLE Honorar kassiert.
Was ganz schlimm die ersten Monate, das erste Jahr war, diese Einsamkeit und die Erkenntnis - ohne meinen Lebenspartner, ohne meinen besten Freund, meinen Geliebten und Wegbegleiter fühle ich mir nur halb.
Als Hans starb ist ein Teil von mir mit ihm gestorben. Ich hatte in meinem Leben schon einige Beziehungen und ich möchte diese auch garnicht klein oder schlecht machen, aber Hans war die Liebe meines Lebens. Bei Hans war ich so wie ich nun mal bin und wurde trotzdem geliebt.
Mein Leben mit Hans hat eine Leichtigkeit bekommen, die ich davor niemals erlebt hatte. Wir kannten beide unsere "dunkleren" Seiten - keine Frage. Und wir hatten unsere Macken, aber wir wussten davon und fanden den jeweils Anderen dennoch als "den einen perfekten Menschen".
Die erste Zeit, noch bevor wir heirateten, habe ich Hans oft gefragt " bin ich dir genug" und seine Anwort darauf war stets "du bist ALLES für mich". Lange wollte ich es nicht glauben, aber Hans hat mir jeden Tag bewiesen, wie sehr er mich liebt und wie glücklich er war. Irgendwann habe ich begonnen es zu glauben.
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