Jetzt nach fast 2 Jahren ist der Schmerz über Hans Verlust erträglicher geworden. Sowohl bei guten oder schlimmen Dingen gleichermaßen, legt sich der Schleier des Vergessens darüber.
Es fühlt sich an wie ein großes Pflaster auf einer ewigen Wunde, die wohl niemals ganz aufhören wird zu bluten. Aber es lindert den Schmerz.
Als ich heute den schon 1000e Male gegangenen Weg von der U-Bahnstation Richtung heimwärts so vor mich hintrottete, überkam mich mit einem Mal dieser unbändige Wunsch, einfach wie früher mein Handy zu zücken, Hans anzurufen um ihm mitzuteilen, dass es sich nur mehr um Minuten handeln kann, bis ich daheim bei ihm bin.
Die ersten Monate war es ganz schlimm, ich habe sehr bewusst andere Wegstrecken gewählt, weil sogar die Büsche und Hausfassaden mich immer und immer wieder daran erinnert hatten, dass ich zwar am Heimweg - aber nicht am Weg zu Hans bin.
Das Heimkommen in unsere gemeinsame Wohnung war gerade die erste Zeit so unheimlich schwer. Die Haustür zu öffnen und wissen, da kommt jetzt kein "Hallo Mausinka" und auch kein Kuß. Die vielen Nächte in denen ich schreiend wach geworden bin, weil ich im Halbschlaf realisiert hatte, ich bin da alleine im großen Bett - Hans Seite ist leer und wird es immer bleiben.
Die Tage an denen ich alleine daheim saß und einfach nur stundenlange weinen musste. Die Momente in denen ich mir einbildete, Hans sitzt in seinem Arbeitszimmer am Schreibtisch.
Mehrmals ist es mir passiert, dass ich Hans Nummer angerufen hatte und erst beim Läuten mitbekam, dass er nicht abheben wird.
Die Sonnenuntergänge - wie oft hab ich Hans genervt, weil ich so fasziniert von den Farben und Formen war. Besonders jedoch waren diese Stimmungen weil ich sie mit ihm teilen konnte.
An manchen Tagen habe ich geglaubt mein Herz zerbricht - weil es so unheimlich weh tat.
Oftmals konnte ich meinen tiefen Schmerz verstecken, ja klar die ersten Monate war ich sehr nahe am Wasser gebaut, aber da gabs ja Schonfrist für die Witwe. Ich habe mich mit den ganzen Erledigungen rund um Hans Ableben abgelenkt, und es ist mir meistens auch gut gelungen. Manchmal habe ich mich in Kleinigkeiten verbissen, aber ich wollte einfach nicht nachgeben. Auch weil ein Nachgeben für mich bedeutete hätte, ich würde die Dinge nicht ernst genug nehmen.
Und wie ich bald merkte, das Umfeld möchte sich garnicht so gerne mit einem trauernden Menschen auseinandersetzen. Wahrscheinlich weil es an die eigene Sterblichkeit erinnert, vielleicht auch weil unsere Gesellschaft einfach kurzlebig und auf Spaß, Urlaub und Freizeitaktivitäten ausgerichtet ist. Da passen Trauernde, Kranke aber auch alte Menschen, so sie nicht versuchen krampfhaft jung zu bleiben(und gesund sind), einfach nicht rein.
Kann ich es jetzt im Nachgang verstehen? Zum Teil ja, auch wenn es einen kleinen giftigen Stachel hinterlassen hat.
Mir hat es sehr gefehlt, dass fast niemand sich gefunden hat, der Hans auch gut kannte um mit MIR über ihn zu sprechen. Das war die erste Zeit sehr bitter. Ich wünsche mir nur, dass diese Menschen wenigstens untereinander über Hans gesprochen haben und vielleicht manchmal noch immer tun.
Wenn man so wie ich, den wichtigsten Menschen verliert und selbst kaum Familie und Freunde hat, dann ist das verdammt hart. Aber ich habe auch diese Zeit gemeistert und ich glaube, ich habe daraus gelernt.
Gelernt mir zu vertrauen, mich an die erste Stelle zu setzen, meine Wegbegleiter:innen noch besser auszusuchen.
War das ein extremer Prozess - wer will sich schon eingestehen, dass das eigene Weltbild einfach eine Schönmalerei ist? Wer möchte schon damit konfrontiert sein, dass es nicht mehr Menschen gibt, denen man wichtig ist und die mit einem Zeit verbringen möchten - freiwillig und nicht aus irgendeinem familiären oder sonstigen Zwang heraus?
Als ich aus dieser Selbstmitleidsphase herausgetreten war, hatte ich ein wenig Sorge zu verbittern. Aber das ist nicht der Fall - ich denke ich habe etwas mehr Abstand entwickelt, ich habe gelernt nicht immer mit vollem Herzen und ganzem Einsatz, sich jedem Menschen zuzuwenden, sondern zuerst mal beobachten und es oberflächlicher halten.
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