31.Oktober 2024 Halloween
Heute hatte ich eine wunderbare Begegnung. Ich war Blut spenden. Das ist jetzt nichts aufregendes, außer vielleicht, dass es viel mehr Menschen öfters machen sollten.
Nach den Formalitäten und dem Arztgespräch, weiter zum Ort des Geschehens. Ich wurde herzlich von einer Rotkreuz-Mitarbeiterin begrüßt, nach Namen und Geburtsdatum gefragt und vorbereitet.
Währenddessen kommt eine weitere Kollegin vorbei, es wird Smalltalk gemacht, parallel frägt mich die Dazugekommene, ob ich ein Kärtchen für meinen Geburtstag bekommen hätte. Ich verneine und sage
ihr, das sei nicht so wichtig. Kollegin geht wieder, ich werde abgetupft, angepiekst und los geht’s.
Als dann der rote Saft rauskommt, sagt die Mitarbeiterin zu mir „ also wirklich, wir wollen ihnen etwas Süßes zum Geburtstag geben“. Ich lache und sage ihr, es sei wirklich nicht notwendig, eigentlich komme ich ja wegen der Frankfurter und wegen dem guten Brot.
Sie meint, pumpen sie bitte weiter mit der Hand, ich komme gleich. Nach 2 Minuten legt sie mir ein Stoffsackerl auf den Bauch und sagt „ hier, frisches Brot. Morgen ist Feiertag, dann Wochenende, es wäre schade drum“.
Wir kommen ins Reden, sie erzählt mir von ihrem Paragleitflug an ihrem 50.Geburtstag vor ein paar Jahren und das sie eigentlich Höhenangst hat, aber man müsse Ängste auch manchmal überwinden. Irgendwann kommt das Thema auf Partnerschaft und Wochenendpläne. Was ich denn die Tage so vor habe. Ich antworte eher ausweichend, eigentlich nicht so viel, ich bin gerade dabei mich neu zu sortieren.
Sie sieht mich an und frägt ganz direkt, ob es mir gut geht. Darauf hab ich ehrlich geantwortet, jetzt schon wieder besser, aber ich muss noch den Tod meines Mannes verarbeiten. Da sind die Wochenendpläne etwas anders. Sie erzählt mir, dass sie auch eine leider schmerzliche Trennung hinter sich hat. Sie liebte diesen Mann sehr, aber es wären diverse Umstände gewesen, die ein weiteres Beisammensein nicht mehr möglich für sie machten.
Wir unterhalten und sehr offen, ehrlich und direkt. Nach der Blutabgabe tratschen wir weiter, sie begleitet mich ins Cafe, besorgt noch die Geburtstagsschokolade und verabschiedet sich. Derweil kümmert sich der junge Sani im Cafe sehr fürsorglich um mich. Und ja die Würstel haben mir hervorragend geschmeckt.
Ich bin sehr zufrieden und sehr glücklich im Herzen von dort rausgegangen. Es waren nur wenige Minuten, die mir aber so viel gegeben haben.
Wildfremde Menschen fragen mich, wie es mir ohne meinen Mann geht. Wie ich mich ohne eigene Familie fühle und ob ich zurechtkomme.
In den fast 2 Jahren seit Hans nicht mehr bei mir ist, hätte ich mir das so von Freunden und Familie gewünscht. Ich will nicht unfair sein, es waren schon Menschen dabei, die mit mir ganz normal, ganz offen und ehrlich gesprochen haben, aber ich habe die ersten Monate, eigentlich das erste Jahr so sehr darauf gewartet, dass Hans Freunde mit mir über ihn sprechen mögen, dass seine Familie mir auch das Gefühl gibt, dass sie meinen Schmerz um seinen Verlust sehen und mit mir über ihn aber auch über meine Trauer reden würden.
Nachdem der dichteste Nebel der Trauer weg war, habe ich begonnen darüber genauer nachzudenken.
Ich habe festgestellt, dass offensichtlich einige Menschen nicht wissen wie man mit Trauernden umgeht. Was ich, auch wenn es mich nicht selbst betreffen würde, extrem schlimm finde. Denkt denn niemand darüber nach, dass die trauernde Person dann noch mehr vereinsamt?
Und NEIN beim Verlust eines sehr nahen Menschen, mit dem man das Leben und die Räumlichkeiten, die Gedanken und die Träume geteilt hat, fängt nicht irgendwann wieder die alte Normalität an. Man ist gezwungen sein Leben entweder zu beenden oder sich eine vollkommen neue Normalität zu schaffen, die man eigentlich niemals so wollte.
Hans taiwanesische Kollegen haben mir nach seinem Tod eine Collage zusammengestellt. In dieser beschreiben sie die Begegnungen mit Hans, wie sie ihn gesehen haben, was er für sie war. Auf diese große Distanz, haben sie mit mir ihre Erinnerungen an Hans geteilt.
So etwas ähnliches hätte ich mir eben auch von Familie und Freunden erwartet. Aber es waren Hans Freunde und Hans Familie – nicht meine. Ich war mit diesen Menschen zu Hans Lebzeiten nicht innig, also warum sollten sie nun meine Gegenwart suchen?
Dies jetzt so niederzuschreiben und keine negativen Gefühle mehr dabei zu haben, war ein langer Prozess, auf dem mich einige – nun Freunde – gute Freunde – begleitet und beraten haben. Menschen, die davor nur flüchtige Bekannte waren, sind zu guten Freunden geworden.
Keiner kann aus seiner Haut raus, auch ich nicht. Ich möchte auch niemanden etwas vorhalten – es wird für Jeden und Jede Gründe für ihr Verhalten geben. Mittlerweile kann ich das akzeptieren, aber ich habe auch gelernt Schutzmechanismen für mich aufzubauen, um nicht wieder diese tiefen seelischen Verletzungen spüren zu müssen.
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