Die Monate ab Mitte November sind für mich seit zwei Jahrzehnten keine besinnliche Zeit mehr. Früher habe ich die Adventzeit und Weihnachten sehr gemocht: Lichterglanz, schöne Musik, Kekse backen, das Zuhause dekorieren – all das hat mir Freude bereitet.
Mit meinem beruflichen Wechsel in die NPO-Landschaft änderte sich das jedoch. Die Herausforderungen bei Projektabrechnungen, extrem enge Deadlines, chronisch knappe Kassen, wenig Planungssicherheit und oft lange Phasen personeller Unterbesetzung, die sich besonders in den Wochen vor Weihnachten zuspitzen und oft bis in die ersten Monate des neuen Jahres hineinziehen, nahmen mir die Freude an dieser Zeit.
Ein weiterer Grund war, dass meine Familie immer kleiner wurde. Durch den Tod meines Vaters löste sich der letzte kleine Kern auf. Meine Stiefmutter hatte schon zuvor für meine Schwestern und die Mutter meines Vaters keine Bedeutung mehr. Ich hingegen hatte mich noch vor dem Tod meines Vaters mit ihr ausgesprochen und mir von ihm in mehreren Gesprächen seine Sicht unserer gemeinsamen schwierigen Zeit erklären lassen. Damit konnte ich mit der Vergangenheit abschließen.
Meine Großmutter und meine Schwestern nahmen mir das wohl übel. Jedenfalls war ich ab diesem Zeitpunkt nicht mehr Teil ihres Kreises. Ob dies der einzige ausschlaggebende Grund war, weiß ich nicht. Sämtliche Versuche, eine Erklärung zu bekommen, scheiterten. Obwohl ich damals nur fünf Gehminuten von meiner Großmutter entfernt wohnte, durfte ich sie nicht besuchen.
Ich erinnere mich an ein einziges Treffen – auf der Straße. Ich ging auf sie zu und begrüßte sie. Zunächst erkannte sie mich nicht, setzte sich dann aber mit mir auf eine Parkbank und erzählte mir von meinen "wohlgeratenen" Schwestern. Kein einziges Mal fragte sie, wie es mir ging. Zum Schluss meinte sie nur, ich könne sie ja mal besuchen, müsse aber vorher anrufen, damit meine Schwestern nichts davon erfahren.
So gab es bereits vor der Jahrtausendwende keine Familienweihnachten mehr. Ich besuchte meine Stiefmutter noch einige Male allein, aber mit meinem neuen Partner endete auch das. Er wollte nicht mit zu ihr, und ich akzeptierte es.
Es fiel mir generell schwer, enge Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen. Warum das so ist? Ich fühle mich oft nicht wirklich zugehörig. Mein Leben war geprägt von viel Arbeit – in der Privatwirtschaft fand ich noch leichter Freunde am Arbeitsplatz. Trotz des beruflichen Drucks gab es dort ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl, und Weihnachtsfeiern mit Kolleg:innen waren selbstverständlich.
In der NPO-Welt habe ich dieses Wir-Gefühl verloren. Ob es an der Branche liegt, am Wandel des Arbeitsmarkts oder an mir selbst, kann ich nicht genau sagen.
Die beschriebenen Entwicklungen führten dazu, dass ich heute einen sehr kleinen Bekannten- und Freundeskreis habe. Es fällt mir leicht, mit neuen Menschen ins Gespräch zu kommen, doch kaum eine Bekanntschaft wird enger.
Während meiner Beziehung mit Hans fehlte mir das nicht. Unsere Partnerschaft war mir fast immer genug. Als Wir fühlte ich mich vollständig. Hans war kommunikativ und beliebt, seine Kundengespräche klangen oft mehr wie freundschaftliche Unterhaltungen. Einige seiner Kunden wurden sogar Freunde, auch meine Freunde. Nach seinem Tod brach der Kontakt zu diesen Menschen jedoch sofort ab.
In den zwei Jahren seit seinem Tod wurde ich oft gefragt, ob ich mich in der Beziehung zu Hans selbst aufgegeben hätte. Doch das habe ich nicht. Mein persönlicher Rückzug begann bereits Jahre zuvor, als sich die Wege mit meinen damaligen Freunden in unterschiedliche Richtungen entwickelten.
Diese Einsamkeit spüre ich besonders zur Weihnachtszeit. Ohne Familie und viele Freunde wird es dann noch stiller.
Mit Hans war Weihnachten jedoch wieder fröhlich. Er brachte eines Tages spontan einen Weihnachtsbaum mit, samt Baumschmuck. Seine Freude an Weihnachtsmusik, am Keksebacken und an Weihnachtsmärkten übertrug sich auf mich. Er schaffte es, meine Arbeitssorgen in den Hintergrund zu rücken und mir eine Work-Life-Balance zu schenken, die meine Seele streichelte.
Sogar die Besuche bei seiner Familie, bei der ich mich ebenfalls nie als vollkommen zugehörig fühlte, waren okay für mich. War er doch schon so in Vorfreude, bald Jedem ein Geschenk überreichen zu können.
Früher war ich aktives Mitglied in einem Sportverein. Mein Leben war ausgefüllt: Arbeit, Weiterbildung, Sport. Leider musste ich den Sport aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. Es dauerte Jahre, bis ich mich mit diesem Verlust abfinden konnte. Erst danach konnte ich mir wieder Turniere im Fernsehen ansehen.
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