
So in etwa am Beginn des letzten Drittels meines Lebens stelle ich mir immer öfter die Frage, wofür ich hier bin. Es ist keine traurige oder bedrückende Frage, sondern eher eine nachdenkliche – eine Einladung, tiefer in mich hineinzuhorchen. Dass Hans nicht mehr bei mir ist, beeinflusst diese Gedanken, auch wenn sie nicht direkt daraus erwachsen. Gemeinsam hatten wir uns eine eigene kleine Welt geschaffen, voller Träume und Ziele.
Ich weiß nicht, ob viele andere Menschen ähnlich empfinden. Vielleicht ist das ständige Beschäftigtsein, das viele suchen, tatsächlich eine Ablenkung von solchen Fragen. Ich selbst mag meinen Beruf nach wie vor und habe ihn lange Zeit als sinnstiftend empfunden. Doch in letzter Zeit denke ich häufiger darüber nach, wie sehr meine Tätigkeit tatsächlich einen Unterschied macht.
Meine Kolleg:innen arbeiten in Bereichen, die unmittelbar mit Umwelt- und Naturschutz zu tun haben. Sie setzen sich dafür ein, unser Verhältnis zur Erde zu verbessern – durch Projekte, Gesetzesinitiativen und Öffentlichkeitsarbeit. Mein Beitrag ist die korrekte Abrechnung der dafür eingesetzten Mittel. Lange war ich stolz darauf, Teil dieses Ganzen zu sein. Doch je mehr ich die Herausforderungen sehe – die Schwierigkeit, Menschen für die Dringlichkeit dieser Themen zu gewinnen, die finanziellen Engpässe, das scheinbare Desinteresse vieler –, desto öfter beschleicht mich das Gefühl von Resignation.
Auch in meinen früheren Tätigkeiten, wie der Personalverrechnung oder im Arbeitsrecht, hatte ich das Gefühl, etwas Sinnvolles beizutragen. Faire Bedingungen schaffen, Stabilität fördern – das waren Überzeugungen, die mich getragen haben. Doch im Rückblick frage ich mich, ob ich den Wert dieser Arbeit vielleicht überschätzt habe.
Ich habe mich in den letzten Jahren bewusst aus der absoluten Hingabe an den Job zurückgenommen, um Raum für mein Privatleben zu schaffen. Lange Zeit störte es mich nicht, dass mein Leben überwiegend aus Arbeit bestand. Solange ich für meinen Beruf „brannte“, war das in Ordnung. Doch jetzt, wo sich die letzten Arbeitsjahre abzeichnen, frage ich mich: War das die richtige Balance?
Die Liebe zu meiner Arbeit ist nicht verloren, aber ich suche den Sinn neu. Vielleicht hätte sich vieles anders angefühlt, wenn Hans noch bei mir wäre. Die Vorstellung, gemeinsam Träume umzusetzen, war ein tragender Gedanke. Allein fehlt mir die Kraft, diese Träume zu realisieren.
Doch selbst in dieser Phase finde ich Ansätze, die mich inspirieren.
Albert Camus schreibt in Der Mythos des Sisyphos, dass man selbst in scheinbar sinnlosen Aufgaben Freude und Sinn finden kann, wenn man ihre Absurdität akzeptiert. Das hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht liegt der Schlüssel nicht darin, auf einen großen, übergeordneten Sinn zu warten, sondern darin, den kleinen Momenten Bedeutung zu geben.
Wenn ich lerne, in meinen täglichen Tätigkeiten und Gedanken meinen eigenen Sinn zu entdecken, könnte das ein wahrer Game Changer sein. Es ist eine neue Perspektive, eine, die mir Mut macht. Denn letztlich ist es der Sinn, den wir selbst schaffen, der uns trägt – in der Arbeit, im Alltag und darüber hinaus.
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